Meine weiterführende, kritische Auseinandersetzung mit der Partizipativen Mediendidaktik hat ergeben, ausgehend vom Blick auf den Wandel von (pädagogischer) Professionalität Lehrender in unterschiedlichen Bildungskontexten unter den Bedingungen von Digitalisierung und Digitalität den Fokus nunmehr auf die Rolle von Leadership zu erweitern.
Damit einher geht neben anderen Punkten auch die kritische Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen der unterschiedlichen Partizipationsstufen vor allem in bildungsinstitutionellen Machtstrukturen und Freiräumen in Form von Selbstbestimmung entlang des verwendeten Partizipationsmodells in der Partizipativen Mediendidaktik (siehe Abb. Partizipationsmodell).
In diesem Zusammenhang lag die die Beschäftigung vor allem auf dem Typ 3, der tatsächlichen Partizipation, doch weniger auf Fragen von Selbstorganisation und Selbstverwaltung im Bildungskontext – also dem was „über Partizipation hinaus“ geht (im Modell Typ 4).
Die Betonung der Vertiefung der Rolle von Akteurinnen und Akteuren sowie Bedingungen der Ermöglichung von selbstorganisierten Kontexten im Bildungsbereich, bieten Anknüpfungspunkte an vorhandene Überlegungen zu agilen Werten und Prinzipien und moderne Perspektiven auf Leadership. Zugleich eröffnen sich mit Blick auf die Adaption dieser auf den Bildungskontext vielfältige Folgefragen.
Die Auseinandersetzung mit Agilität und Leadership unter den Rahmenbedingungen von Bildung ist ein Themenfeld für sich, das Verbindungen zur ParMeDi aufweist und dort anknüpft, jedoch ebenso Verbindungen zu anderen großen Themenfeldern hat. Dies möchte ich mit einem eigenständigen Projektvorhaben zu Digitalität und Ambidextrie weiter herausarbeiten. Neue interessante Impulse finden Sie daher in der nächsten Zeit im Projekt DUA.
Es ist eine neue Publikation erschienen, die Partizipative Mediendidaktik, Praxistheorie und Open Educational Practice(s) verbindet.
Am Beispiel von Open Educational Practice(s) im Sinne eines ‚Doing-mediatizied-participatory-learning‘ wird im Aufsatz erörtert, in welcher Weise soziales Handeln unter den Bedingungen von Digitalisierung und Digitalität, hier spezifiziert auf mediatisiertes Lehr- und Lernhandeln, als Praktiken im Sinne einer praxeologischen Perspektive aufgefasst und durch eine (partizipative) mediendidaktische Brille interpretiert werden können. Dafür werden praxistheoretische bzw. praxeologische Begriffe und Grundlagen ausgeführt und aus mediendidaktischer Perspektive betrachtet. Fazit ist hierbei, dass über diese Perspektive eine theoretische Anbindung der partizipativen Mediendidaktik an soziologische Überlegungen möglich ist.
Der Beitrag knüpft damit sehr gut an den zuletzt publizierten Überblicksbeitrag zu „Open Educational Practices (OEP) in Higher Education“ an (siehe Blogbeitrag #OEP und #ParMeDi).
Zum Beitrag: Mayrberger K. (2020) Praxistheoretisch informierte partizipative Mediendidaktik – Erörterung am Beispiel von Open Educational Practice(s) im Sinne eines ‚Doing-mediatizied-participatory-learning‘. In: Bettinger P., Hugger KU. (eds) Praxistheoretische Perspektiven in der Medienpädagogik. Digitale Kultur und Kommunikation, vol 6. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28171-7_4
Das Buch und der Aufsatz sind via SpringerLink über viele Hochschul- und Bibliotheksnetze kostenfrei zugänglich.
Open Eductional Practices (#OEP) und Partizipative Mediendidaktik (#ParMeDi) weisen aus heutiger Perspektive eine systematische Nähe auf, die sich über die gemeinsame partizipative Grundidee und den Bezugsrahmen der Offenheit, Digitalisierung und Digitalität ergibt.
Im kürzlich publizierten Beitrag zu OEP in Higher Education wurde eine erweiterte systematische Verhältnisbestimmung vorgenommen, die gegenüber den Ausführungen Ende 2019 in der Monografie zur Partizipativen Mediendidaktik eine Aktualisierung darstellt.
Zum Beitrag: Mayrberger K. (2020) Open Educational Practices (OEP) in Higher Education. In: Peters M. (eds) Encyclopedia of Educational Philosophy and Theory. Springer, Singapore. https://doi.org/10.1007/978-981-287-532-7_710-1
Knapp gesagt wird argumentiert, dass sich eine partizipative Mediendidaktik aus systematischer Perspektive, ähnlich wie es je nach Perspektive von Autor_innen für die beiden Konzepte Open Education und Open Pedagogy erfolgt, aufgrund zentraler überschneidender Merkmale wie Partizipation, Digitalisierung und Offenheit als möglicher übergreifender Rahmen für OEP heranziehen lässt. Um die bedeutsame Rolle von Partizipation deutlicher herauszustellen, da Partizipation unter dem Begriff Openness häufig bereits subsummiert wird, könnte man gar von Participatory Open Educational Practices (POEP) sprechen.
Zugleich ist einschränkend anzumerken, dass sich das systematische Feld noch formt, da OEP zunehmend mehr Aufmerksamkeit erfährt. Konzepte stehen nebeneinander, Schnittmengen ergeben sich und Rahmenkonzepte werden vorgeschlagen. So erscheint es derzeit angemessen in systematische Betrachtungen beispielsweise noch stärker eine post-digitale Perspektive in diese Betrachtungen mit einzubeziehen. Hinzu kommt, dass es nicht die eine Begriffsbestimmungen von OEP gibt und sich das Feld derzeit merklich vor allem im internationalen Diskurs entwickelt (z.B. hinsichtlich machtbezogener kritischer Fragen und eine verstärkte Perspektive auf Ungleichheit oder Diversität).
Es bleibt also spannend wohin sich das Konzept OEP entwickeln wird und welche Impulse sich für weitere systematische mediendidaktische Überlegungen ergeben werden.
Partizipative Mediendidaktik als Ankerpunkt der zweiten Podcastfolge von „Domain it Yourself“.
Das Konzept Domain of One’s Own (DoOO) ist in Deutschland immer noch wenig bekannt und realisiert. Erste Eckpunkte haben Jane Brückner, Markus Deimann und Christian Friedrich 2017 sehr anschaulich im Zuge eines Überblicksbeitrags zu DoOO für das Hochschulforum Digitalisierung zusammengefasst.
Und nun gibt es einen eigenen Podcast „Domain it Yourself“, der von Katharina Schulze und Christian Friedrich mit Unterstützung durch die Hamburg Open Online University (HOOU@HAW) realisiert wird und unter der eigenen Domain https://domain-of-ones-own.de zu finden ist. Es lohnt sich allein schon den schönen, narrativen Einstieg über die Analogie zum Fisch im Aquarium zu lesen.
Im ersten Beitrag der Reihe beschreiben sie die Idee von DoOO. Im zweiten Beitrag geht es gleich an den normativen Kern hinter der Idee, nämlich Fragen der Gestaltungsmacht, die Studierenden in ihrem Studium durch Erhalt einer eigenen Domain eingeräumt wird, Verantwortung, die sie damit übernehmen und übergreifend um Fragen und kritischen Überlegungen zur Rolle von Partizipation, Ownership und Verantwortung im Lehr- und Lernprozess im Hochschulkontext.
Der #ParMeDi-Canvas unterstützt den Transfer von der Forschung in die Lehrpraxis oder kurz, den „Theorie-Praxistransfer“, zur Partizipativen Mediendidaktik für die Gestaltung von partizipativer Lehre. Der Canvas liegt nun in einer ersten Fassung als OER unter CC-BY Lizensierung vor.
Hintergrund
In Anlehnung an die Grundidee des Business Modell Canvas (BCM) als Framework von Alexander Osterwalder zur Visualisierung und Strukturierung von Geschäftsmodellen (den ich im Rahmen einer Fortbildung zum Agile Leadership intensiver kennenlernen konnte) habe ich für den Theorie-Praxis-Transfer eine erste Version eines #ParMeDi-Canvas als OER entwickelt.
Canvas
Ein Canvas dient dazu auf einer Seite auf einem Blick erfassbar zu sein. Er soll durch eine klare Visualisierung und Strukturierung das Treffen von relevanten Entscheidungen und Erkennen von Zusammenhängen und Abhängigkeiten unterstützen. Die Anordnung auf der einen Seite erfolgt über unterschiedliche Felder, die in der praktischen Anwendung in digitaler oder analoger Form (idealerweise in Plakatgröße) mit Hilfe von Klebezetteln, auf denen Aspekte notiert werden, befüllt werden. Das kann man individuell oder gemeinsam tun und dabei oder im Nachgang die gewählten Aspekte im Austausch kritisch betrachten und modifizieren (siehe als Beispiel für die Arbeit mit dem BMC z.B. die Erklärung hier. Mit Hilfe dieser Be- und Verarbeitungsgrundlage kann eine modellbasierte Planungsidee in ein dichtes und pointiertes Gewebe von Entscheidungen bzw. Antworten überführt werden – und u.a. zügig aufzeigen, wo Stärken und Schwächen liegen.
Modelle
Didaktik als Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens in formalen Bildungskontexten wie Schule, Hochschule und (wissenschaftliche oder betriebliche) Weiterbildung, aber auch für den informellen und non-formalen Bildungskontext wie Museen oder offene und öffentliche Informations- und Lernangebote, zeichnet sich ebenfalls durch Modelle für Planungen und Analysen aus. Die Partizipative Mediendidaktik (Mayrberger 2019) bringt gar drei Modelle mit: ein theoretisch ausgerichtetes heuristisches Strukturmodell (ebd., S. 188 ff.), ein praxisbezogenes Prozessmodell sowie ein abstraktes Verlaufsmodell zur Planung und Analyse partizipativen Lernens (ebd. S. 196 ff.). Doch liegt der Praxistransfer der partizipativen Mediendidaktik für die Gestaltung von mediendidaktischen Lehr- und Lernszenarien nicht sofort auf der Hand.
Umsetzung
Wenn man alle Aspekte in der Analyse, Planung, Durchführung und Evaluation einschließlich Planungsanpassung berücksichtigen möchte, kann man hier leicht den Überblick verlieren. Das zeigten mir nochmals die Diskussionen rund um die Partizipative Mediendidaktik auf, die ich in diesem Semester mit Studierenden wie Lehrenden führen konnte. So ein Canvas ist wie jeder Planungsentwurf keine Garantie für eine gute Lehre bzw. Lehrpraxis. Doch erhöht er die Wahrscheinlichkeit einer stimmigen und umfassend reflektierten Planung und Analyse, um den Rahmen für ein partizipatives, offenes und lernendenorientiertes Lernen zu schaffen und eine zeitgemäße Lernumgebung zu gestalten.
Transfer (be-)greifbar machen
Daher soll nun der vorliegende Partizipative-Mediendidaktik-Canvas (kurz #ParMeDi-Canvas) eine strukturierende Vereinfachung für diesen Theorie-Praxistransfer liefern. Man kann ihn auf Ebene eines ganzen Programms oder Studiengangs, eines Moduls, für die Gesamtrahmung einer Lehrveranstaltung, eines Workshops oder Lernangebots sowie auch je für einzelne Sitzungen oder Phasen nutzen (dann mehrfach und entsprechend in die eine oder andere Richtung skalierend). Er funktioniert für komplett physische Präsenzveranstaltungen oder rein virtuelle Online-Veranstaltungen sowie Varianten von Blended Learning oder hybriden Szenarien – inwieweit es hier fachspezifische Besonderheiten gibt, wird sich zeigen müssen.
Verfügbarkeit
[Aktualisierung 11/2023 – Version 1.1]
Ab jetzt liegt der #ParMeDi-Canvas 1.1 als PDFin der erweiterten Version 1.1 als OER (CC-BY-Lizensierung) vor.
Damit ist er bereit für den weiteren Praxistest. Auf Rückmeldungen zu ersten Erfahrungen oder Verbesserungsvorschlägen für die nächste Version bin ich neugierig. Nutzen Sie dafür gerne das Kontaktformular hier.